FIDE
Keymer, Blübaum & Co. vor dem härtesten Turnier des Jahres
206 Spieler, vier Wochen, zwei Millionen Dollar Preisgeld – und für einige die letzte Chance auf den ganz großen Traum: ein Platz im Kandidatenturnier 2026, dem Tor zur Weltmeisterschaft. Vom 1. bis 26. November verwandelt sich Goa – das tropische Herz Indiens – in die Bühne für das vielleicht härteste Einzelturniers im Weltschach.Deutsche Hoffnungsträger: Keymer, Blübaum und das mögliche Duell
Aus deutscher Sicht ist der World Cup ein historisches Turnier. Matthias Blübaum hat sein WM-Ticket bereits sicher: Sein zweiter Platz beim Grand Swiss 2025 in Samarkand brachte ihn direkt ins Kandidatenturnier 2026.
„Ein Deutscher ist also schon dabei, was großartig für den DSB ist“, sagt DSB-Sportdirektor Kevin Högy. „Wie schön wäre es erst für den deutschen Schachsport, wenn auch noch Vincent Keymer der Coup gelänge. Das wird aber ein hartes Stück Arbeit.“
Neben Blübaum und Keymer gehen auch Dmitrij Kollars, Alexander Donchenko, Rasmus Svane, Frederik Svane und Niclas Huschenbeth an den Start.
Besonders brisant: Schon in Runde drei könnte es zu einem rein deutschen Duell zwischen Keymer und Kollars kommen – zwei Freunde und ehemalige Trainingspartner, die sich aus Jugendzeiten bestens kennen.
Indien im Mittelpunkt – das neue Schachzentrum der Welt
Zum ersten Mal seit 2002 kehrt der FIDE World Cup nach Indien zurück. Damals gewann Viswanathan Anand in Hyderabad – heute führt mit Gukesh D. ein 19-jähriger Weltmeister die Setzliste an.
Gukesh, der schon 2019 als Nachwuchsspieler in Goa auftrat, hat „great memories“ an den Austragungsort – und nun die Chance, auf heimischem Boden Geschichte zu schreiben.
Die Gastgeber treten so stark auf wie nie zuvor: Neben Gukesh gehören Arjun Erigaisi, R. Praggnanandhaa, Vidit Gujrathi und Nihal Sarin zu den Topspielern des Turniers.
Indien ist längst nicht mehr nur ein Land mit Schachtradition – es ist das Epizentrum einer neuen Generation.
Das Spielfeld von Goa
Gespielt wird im Resort Rio, einem Fünf-Sterne-Hotel oberhalb des Baga-Flusses.
Umgeben von Palmen, roten Ziegeldächern und Mangobäumen bietet das Resort nicht nur Luxus, sondern auch Goas größte Konferenzhalle – der Spielsaal, in dem über Schicksale entschieden wird.
Abwesenheit der Stars
Einige bekannte Namen fehlen: Magnus Carlsen verzichtet erneut, Hikaru Nakamura setzt auf seine Ratingqualifikation, Alireza Firouzja pausiert – und Fabiano Caruana ist bereits über den FIDE Circuit qualifiziert.
Doch der Reiz bleibt: Ihre Abwesenheit öffnet die Tür für die junge Generation, die das Weltspitzenschach gerade neu definiert.
Wildcards – Mut zur Jugend
Sechs Wildcards vergab die FIDE – fast alle an Talente unter 20:
der 16-jährige Abhimanyu Mishra (jüngster Großmeister der Geschichte),
der 15-jährige Andy Woodward (US-Juniorenchampion),
der 19-jährige Volodar Murzin (Schnellschach-Weltmeister 2024)
und der erst elfjährige Faustino Oro aus Argentinien – der jüngste Teilnehmer des gesamten Feldes.
Dazu kommen Kirill Alekseenko, ehemaliger Kandidat,
und Divya Deshmukh, Siegerin des Women’s World Cup 2025.
Sie erhielt kurzfristig eine Einladung, um weibliche Repräsentation im Feld zu sichern – ein starkes Signal in einer noch immer männerdominierten Schachwelt.
Der Modus – zwei Partien, kein Entkommen
Der World Cup kennt kein Netz und keinen doppelten Boden.
Jede Runde besteht aus zwei klassischen Partien (90 min für 40 Züge, dann 30 min für den Rest + 30 s Inkrement).
Bei 1 : 1 folgt ein Tiebreak – ein Stresstest in vier Stufen:
- 2 × Schnellpartien (15 + 10)
- 2 × Schnellpartien (10 + 10)
- 2 × Blitzpartien (5 + 3)
- 2 × Blitzpartien (3 + 2)
Bleibt es unentschieden, entscheidet eine Armageddon-Partie:
Beide bieten verdeckt, mit wie wenig Zeit sie als Schwarzer spielen würden.
Wer weniger bietet, bekommt Schwarz – und darf bei Remis weiterkommen.
Weiß hat 4 Minuten, Schwarz die gebotene Zeit und ein 2-Sekunden-Inkrement pro Zug.
Preisgeld und Prestige
Das Gesamtpreisgeld beträgt 2 Millionen US-Dollar:
- 7 000 $ – 2. Runde
- 25 000 $ – Viertelfinale
- 60 000 $ – 3. Platz
- 85 000 $ – Finalist
- 120 000 $ – Sieger
Doch der wahre Preis ist das Ticket zum Kandidatenturnier 2026.
So kannst du die Partien verfolgen
Die FIDE hält die exklusiven Medienrechte.
Live-Übertragungen gibt es auf dem offiziellen YouTube-Kanal FIDE Chess mit internationalen Kommentatoren – darunter GM Jan Gustafsson.
Begleitstreams und Analysen erscheinen auf Chess.com, Chess24, ChessBase India und Lichess, wo die Community wie gewohnt Taktik-Momente, Puzzles und Live-Analysen beisteuert.
Im deutschsprachigen Raum veröffentlichen vermutlich The Big Greek, Josefine Safarli und Gunnys Chessalyze abendliche Zusammenfassungen.
Die 1. Runde startet am Samstag, 1. November, um 15:00 Uhr Ortszeit (Goa) – das entspricht 10:30 Uhr deutscher Zeit (MEZ).
Ruhetage: 10. November und 20. November.
Letzte Ausfahrt Goa – wer schafft es ins Kandidatenturnier?
Der World Cup ist für viele Stars die letzte Möglichkeit, sich zu qualifizieren.
„Dieses K.o.-System ist natürlich richtig reizvoll für die Fans“, sagt Kevin Högy, „aber auch richtig schwer für die Spieler. Du kannst dir im Grunde keine schwache Partie erlauben.“
Folgende Tickets für das Kandidatenturnier 2026 sind bereits vergeben – die übrigen werden in Goa ausgespielt:
| Qualifikationsweg | Plätze | Bereits qualifiziert / Favoriten | Bemerkung |
|------------------------------|---------|-------------------------------------------|----------------------------------------|
| FIDE Circuit 2024 | 1 | Fabiano Caruana (USA) | Sieger FIDE Circuit 2024 |
| FIDE Circuit 2025 | 1 | R. Praggnanandhaa (IND) – führt aktuell | Laufende Wertung bis Jahresende |
| Grand Swiss 2025 (Samarkand) | 2 | Anish Giri (NED), Matthias Blübaum (GER) | Top 2 des Grand Swiss |
| FIDE World Cup 2025 (Goa) | 3 | Wird in Goa ausgespielt | Finalisten + Drittplatzierter qualifiziert |
| WM-Match 2024 (Verlierer) | 1 | Ian Nepomniachtchi (FID) | Platz für unterlegenen Finalisten |
Keymers Weg durch den World Cup
Vincent Keymer ist an Nummer 6 gesetzt – die beste Ausgangsposition seiner Karriere.
Nach Freilos in Runde 1 warten große Namen:
| Runde | Gegner | Land | Elo | Kommentar |
|-------|--------------------------------|------|------|------------------------------------------|
| 1 | – | – | – | Freilos |
| 2 | Vladislav Kovalev / Paul Velten| FID/FRA | ~2550 | Pflichtaufgabe zum Auftakt |
| 3 | Dmitrij Kollars | GER | 2642 | mögliches deutsches Duell |
| 4 | Andrey Esipenko | FID | 2693 | taktisch gefährlich |
| 5 | Maxime Vachier-Lagrave | FRA | 2737 | Schnellschach-Ass |
| 6 | R. Praggnanandhaa | IND | 2771 | potenzieller Schlüsselmoment |
| 7 | Arjun Erigaisi | IND | 2773 | Halbfinale – Duell auf Augenhöhe |
| 8 | Gukesh D. | IND | 2752 | Finale gegen den Weltmeister |
Um sich zu qualifizieren, muss Keymer mindestens das Halbfinale erreichen.
Scheitert er dort, bleibt das Match um Platz 3 – das letzte Ticket für das Kandidatenturnier.
Hoffnung, Härte, Herzklopfen
Für die deutschen Spieler geht es in Goa um mehr als Elo und Preisgeld – es geht um Geschichte.
Vincent Keymer könnte als zweiter Deutscher nach Blübaum das Kandidatenturnier erreichen.
„Nur drei Spieler schaffen es“, sagt Högy. „Wenn Vincent dazugehört, wäre das ein Signal weit über Deutschland hinaus.“
Und es wäre auch ein starkes Zeichen für das deutsche Schach insgesamt – das nach EM-Bronze der Frauen, dem Europameistertitel von Matthias Blübaum und der in Kürze erwarteten 100 000-Mitgliedermarke einen echten Höhenflug erlebt.
Fotos: FIDE / agoda.com / Dariusz Gorzinski (GRENKE Chess 2025) / Maria Emelianova (Chess.com)
Interview: Kevin Högy (DSB)
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